Berlin – Auf der Straße, in Bus und Bahn oder für den kurzen Schluck während des Ampelstopps im Auto: Der Coffee-to-go-Becher ist aus dem deutschen Alltagsbild nicht mehr wegzudenken.
Immer mehr Menschen setzen dabei auf den eigenen Mehrwegbecher. Aus gutem Grund: Ein Mehrwegbecher landet nicht gleich wieder im Müll. Er schont folglich die Umwelt.
Der höhere Aufwand in der Herstellung fällt laut Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) schon nach kurzer Zeit nicht mehr ins Gewicht: «Wenn Sie ein regelmäßiger Kaffeetrinker sind, haben Sie das ganz schnell raus.» Außerdem hält der Mehrwegbecher das Getränk länger warm und sieht schicker aus als das Gegenstück aus Pappe. Und er kann sogar Geld sparen, denn manche Cafés und Kaffeeketten geben Kunden, die einen eigenen Becher zum Auffüllen mitbringen, Rabatt.
Aber welches Modell und welches Material ist das beste?
– Symbole: Einen ersten Überblick können
Symbole auf dem Becher bieten. Das Glas-und-Gabel-Symbol etwa kennzeichnet Materialien, die für den Kontakt mit Lebensmitteln geeignet sind. Allerdings gilt dabei: «Das Symbol muss nicht zwingend auf dem Behälter selbst aufgedruckt sein, es darf auch nur auf der Umverpackung sein. Dazu gibt es keine Vorgaben», sagt Sabine Schuster-Woldan von der Verbraucherzentrale Bayern. Hinzukommt: Wenn der Verwendungszweck eindeutig erkennbar ist, darf das Symbol auch weggelassen werden.
Ein fehlendes Symbol ist also noch kein Grund zur Sorge, so Schuster-Woldan. «Der Hersteller ist grundsätzlich verpflichtet, die Grenzwerte einzuhalten, und zwar immer dann, wenn etwas produziert wird, das mit Lebensmitteln verwendet werden soll.» Aufmerksamkeit aber verdienen Informationen wie Temperaturangaben. «Wenn die Verpackung einen Temperaturbereich angibt, sollte der nicht über- oder unterschritten werden», erklärt die Expertin. Sonst könnten sich gesundheitsschädliche Bestandteile lösen und in das Getränk übergehen.
– Material: «Für die Baubranche kommt Porzellan nicht in Frage, da ist Edelstahl das beste Material», erklärt Fischer. Es ist einfach robuster. «In einem großen Verwaltungsgebäude dagegen wäre Porzellan besser.» Wer den Becher viel mit sich herumträgt, dem empfiehlt der Experte Becher aus dem leichteren Polypropylen (PP).
Etwas Vorsicht ist bei Aluminium geboten: Das Material ist zwar sehr robust und eignet sich daher gut zum Transport. Wenn der Inhalt aber sehr heiß, auch noch fettig oder gar salzig ist, kann sich Aluminium lösen und in den Kaffee oder gegebenenfalls die Mittagssuppe geraten.
Auch Melamin ist kaum geeignet. Der Kunststoff ist zwar besonders bruchsicher und wird daher auch besonders häufig zu Kinder- oder Campinggeschirr verarbeitet. Schuster-Woldan rät jedoch zur Vorsicht, denn ab einer Temperatur von 70 Grad werden Melamin und Formaldehyd freigesetzt und gehen ins Getränk über. Das geschieht beim Einfüllen heißer Flüssigkeiten, dem Erhitzen von Getränken in der Mikrowelle und beim Reinigen in der Spülmaschine bei hohen Temperaturen.
Im Handel finden sich auch vermeintlich umweltfreundliche Produkte aus
Bambus. Fischer aber sagt: «Ich kann nur davon abraten. Das hört sich zunächst mal gut an, aber sehr häufig bestehen die Becher zum größten Teil aus Melamin, sind also gerade für die Abfüllung von Heißgetränken ungeeignet.» Dazu seien sie nicht recycelbar.
– Deckel: Ein besonderer Knackpunkt bei der Bechersuche ist der Deckel. Hier darf man nicht zu viel erwarten, sagt Tristan Jorde von der Verbraucherzentrale Hamburg: «Von den Bechern, die ich hier habe, ist kein einziger wirklich dicht.» Einen gewissen Schwappschutz bieten zwar alle, aber bedenkenlos in der Tasche oder im Rucksack transportieren könne man seiner Erfahrung nach kein Modell. «Man muss den Becher de facto immer in der Hand halten.»
Achten muss man vor allem auf das Material. So seien weiche Deckel, etwa aus Silikon, nicht bedenkenlos zu empfehlen. «Da ist immer auch ein Weichmacher-Problem dabei.» Er rät zu Deckeln aus hartem Kunststoff.
Am besten seien Modelle mit Druckmechanismus: Erst wenn ein Kopf gedrückt wird, öffnet sich der Spalt zum Trinken. So bleibt das Getränk sicherer im Becher und länger heiß. Aber: «Je besser der Verschluss ist, desto schwieriger ist hinterher die Reinigung, gerade bei diesen verwinkelten Kipp- oder Klappsystemen», so Jorde.
Weg mit der Pappe: Wie läuft’s mit dem Coffee to go im Mehrwegbecher?
Man bekommt den Coffee to go im Pappbecher auf dem Weg zur Arbeit oder für die spontane Kaffeepause an fast jeder Ecke schnell auf die Hand. Und das hat Folgen: Papierkörbe quellen über, Parks und Spielplätze vermüllen. Recyceln lassen sich die Einwegbecher nicht. Die Alternative: Pfand-Becher, die sich viele Male befüllen lassen. Diese gibt es inzwischen in vielen Städten. Aber wie kommen die bei den Kaffeefans an? Und was sagen die Umweltschützer?
– Beispiel Hannover: «Hannocino» heißt der rote Mehrwegbecher in Hannover, den man gegen zwei Euro Pfand in 150 Cafés und Geschäften bekommt. Er besteht überwiegend aus Bestandteilen, die biologisch abbaubar sind. Im vergangenen August haben Stadt und der Abfallwirtschaftsbetrieb aha den «Hannocino» eingeführt. 50 000 sind zurzeit im Umlauf – und könnten nach Schätzungen von aha mindestens 5,2 Millionen Pappbecher im Jahr einsparen helfen. Gefragt ist das Mehrweg-System vor allem in der Innenstadt und in den Szene-Vierteln. «Es geht auch immer darum: Wie aufgeklärt sind die Menschen und wie sehr setzen diese auf Nachhaltigkeit?», sagt Sprecherin Helene Herich.
– Beispiel Freiburg: Schon etwas mehr Erfahrung haben die Kollegen in Freiburg. Seit eineinhalb Jahren können Kunden in 112 Betrieben gegen einen Euro Pfand den «FreiburgCup» aus recyclingfähigem Kunststoff bekommen. «Unsere Mehrwegbecher kommen überwiegend bei jungen Leuten gut an», sagt Dieter Bootz vom Abfallwirtschaftsbetrieb ASF. Rund um die Uni nutzten 60 Prozent der Coffee-to-go-Trinker den weiß-grünen «FreiburgCup», woanders nur 20 bis 25 Prozent. Der Grund: «Es gibt Leute, die sind ihren Pappbecher gewohnt. Manche Kunden bestehen einfach drauf», sagt Bootz. Und die großen Kaffee- und Imbissketten – die immerhin den Großteil des To-go-Verkaufs ausmachen – beteiligen sich wie in Hannover nicht an dem System.
– Beispiel Oldenburg: Auch in Oldenburg sind zunehmend mehr Menschen mit einem Pfandbecher in der Hand unterwegs, hat Stadtbaurätin Gabriele Nießen beobachtet. Im vergangen September hat die Stadt ein Mehrweg-System eingeführt. 50 Geschäfte geben die 8500 Becher mit Stadt-Silhouette gegen einen Euro Pfand aus. Doch das System sei noch nicht bei allen Kunden angekommen, sagt Nießen. «Wenn die Becher nicht vorne auf der Theke stehen und offensiv angeboten werden, läuft es schlechter.» Deshalb will die Stadt jetzt noch einmal alle Gastronomen anschreiben.
– Die Umwelzschützer: Ob Hannover, Freiburg oder Oldenburg – in keiner Stadt funktionieren die Mehrwegbecher-Systeme perfekt. Die Deutsche Umwelthilfe sieht diese trotzdem als Erfolg. «Die Erfahrungen werden auf lokaler Ebene gemacht», sagt Thomas Fischer, Leiter Abfallpolitik und Kreislaufwirtschaft. Das Ziel müsse aber ein bundesweites Pfandsystem sein wie das für Getränkeflaschen. «Die Entwicklung steckt noch in den Kinderschuhen. Die Benutzung der Mehrwegbecher muss so einfach sein wie die der Einwegbecher», meint der Experte. Zurzeit landen davon jährlich fast drei Milliarden auf dem Müll – Tendenz steigend. Deshalb sieht Fischer auch die Politik gefordert: Unternehmen und Kunden müssten mehr bezahlen, wenn sie Einweg statt Mehrweg benutzten.
– Das Start-up: Ein bundesweites Pfandsystem für Mehrwegbecher – das wollen auch Fabian Eckert und Florian Pachaly erreichen. Ihr Plan: Den Einwegbecher komplett verbannen. «Das ist etwas, was so unglaublich unnötig ist», sagt Eckert. Deshalb entwickelten die beiden Münchner Jungunternehmer den «Recup», einen Mehrwegbecher aus stabilem Kunststoff. Im September 2016 starteten sie ihr Pilotprojekt im nahe gelegenen Rosenheim. Seitdem hat es mehr als 20 Städte erreicht, darunter München, Berlin, Köln, Oldenburg und seit kurzem auch Hamburg.
DIE ALTERNATIVE: Pfandbecher für den Kaffee auf die Hand sind nachhaltiger als Pappbecher. Doch auch ihre Herstellung und das Recycling verschlingen Ressourcen. «Den eigenen Mehrwegbecher dabei zu haben, wäre natürlich ökologisch das Beste», sagt Julia Post, die vor drei Jahren die Initiative «Coffe to go again» gegründet hat. Cafés, die daran teilnehmen, füllen Kaffee nicht nur in mitgebrachte Becher ab, sondern belohnen die Kunden dafür zum Beispiel mit einem Rabatt. Mehr als 500 Betriebe in Deutschland tragen inzwischen das Logo der Kampagne.
Doch seinen eigenen Becher die ganze Zeit mitschleppen, darauf haben die wenigsten Lust. Nur ein Bruchteil der Verbraucher sei dazu bereit, sagt Thomas Fischer von der Deutschen Umwelthilfe. «Das ist den meisten zu viel Aufwand.» Und spontan ist der Coffe to go dann auch nicht mehr – an den Becher muss man schon vorher denken. Einfacher wäre es, den Kaffee mal wieder in aller Ruhe im Café zu genießen. Ganz ohne to go.
Fotocredits: Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,Andrea Warnecke,dpa-infografik,Andrea Warnecke
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