Mailand – «Mörder!», brüllt es den Besuchern entgegen. «Schämt euch! Fendi steht für Tod!» Wer gehofft hatte, dass an diesem besonderen Tag für die Mailänder Modewoche die Tierschützer von ihrem Tun absehen würden, sah sich getäuscht.
Im Innern des Gebäudes soll der gerade gestorbene Karl Lagerfeld geehrt werden, draußen setzen sie das Sterben von Tieren für die Pelzmode dagegen. So hat jeder seine eigene Agenda.
Es ist Donnerstag, der dritte Tag der Mailänder Fashion Week, und die Show von Fendi steht auf dem Programm. In dieser Saison ist es die Show schlechthin. Denn erst vor zwei Tagen starb Karl Lagerfeld, seit 1965 Kreativdirektor des römischen Modehauses, gemeinsam mit Silvia Venturini Fendi verantwortlich für die Damenkollektion.
Drinnen, in einem Industriebau im Süden der Stadt, der Fendi als Mailand-Stützpunkt dient, gibt es erste Anzeichen von Würdigung. «Love Karl» steht über dem Eingang zum Backstage-Bereich, aus dem gleich die Models herauskommen, um die Kollektion Herbst/Winter 2019/20 zu präsentieren. Der gleiche Schriftzug befindet sich auf einem Kärtchen, das flankiert von einem großen «F» für Fendi und einem Herz auf den Stühlen liegt.
Die Kollektion: strenge Mäntel und zarte Kleider mit großen Schleifen auf dem Rückteil. Plissierte, weite, lange Röcke. Perforiertes Leder. Gedeckte Farben, ein paar kräftige Akzente. Und, ja, auch Pelz. Denn das ist der Ursprung des Labels. Das Finale: Alle Models erscheinen noch einmal. So wie immer.
Dann tritt Silvia Venturini Fendi auf den Laufsteg. Allein. Das erste Mal. Die Tränen stehen ihr in den Augen. Sie winkt kurz. Verschwindet wieder. Der Eingang zum Backstage-Bereich schließt sich. Die Gäste springen auf, wollen gehen. Es ist Fashion Week, die nächste Show steht an. Da bleibt nicht viel Zeit für Sentimentalitäten. Plötzlich geht das Licht aus.
Die Menschen verharren irritiert, setzen sich wieder. Ein Video wird abgespielt. Man sieht Karl Lagerfeld. Erst zeichnend, dann auch redend. Er erklärt das Outfit, das er an seinem allerersten Tag bei Fendi trug – im Jahr 1965. Er war dort viel länger als bei Chanel, obwohl sein Name eher mit dem Pariser Modehaus verknüpft ist.
«Nahbar. Lustig. Keck. Sehr direkt», so erinnert sich die Influencerin Nina Suess an eine Begegnung mit Karl Lagerfeld, hier bei Fendi. Was sie von ihm gelernt hat? «Wenn man sich ein Ziel setzt und es wirklich erreichen will, dann schafft man es auch.»
Und was schätzte Marcus Luft, stellvertretender Chefredakteur der «Gala», an Karl Lagerfeld? «Er hat verstanden, dass man Mode für die Medien spektakulär inszenieren muss, dabei aber nie die Bedürfnisse der Kunden vergessen darf. In jeder Saison gab es ein ‚must have‘, etwas, was jede Frau unbedingt haben wollte», sagt er.
Wieder draußen. Wieder «Mörder»-Rufe. Dialogversuch? Zwecklos. Sie wollen nicht diskutieren. Es sind Welten, die nicht zueinander finden.
Fotocredits: Antonio Calanni,Antonio Calanni,Antonio Calanni,Antonio Calanni,Antonio Calanni,Antonio Calanni
(dpa)
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